Kurz nach 4 Uhr am Morgen erreichen wir die Hauptstadt Phnom Penh per Nachtbus und werden selbst um diese unmenschliche Tageszeit schon von einer Traube wildgewordener Tuk-Tuk Fahrer in Empfang genommen, die uns alle zu einem Spotpreis zu unserem Hotel bringen wollen. Natürlich wissen wir mittlerweile wie das läuft, schlagen alle Angebote aus und machen uns zu Fuß auf den 2km langen Weg durch das morgendliche Phnom Penh, das alles andere als verschlafen ist. An jedem Eck sehen wir Gruppen von Menschen (jung und alt), bei ihrer Morgengymnastik – Tai Chi ? Yoga ? wir wissen es nicht. Am Hotel angekommen, können wir selbstverständlich noch nicht in unser Zimmer, wäre auch zu schön gewesen. Wir lagern schnell unser Gepäck ein und machen uns auf in die Stadt um einen frühen kambodschanischen Kaffee (Eiskaffee) zu trinken.
Also erst einmal ein Straßencafe suchen. Zum Glück startet in Asien das morgendliche Treiben wie erwähnt schon viel früher als in Deutschland und so finden wir direkt um’s Eck ein tolles Straßenlokal, das um noch nicht mal 6 Uhr von vielen Tuk-Tuk Fahrern gut besucht ist. Und schnell stellt sich heraus, dass es hier einen Mega leckeren Kaffee für nicht mal 50 Cent gibt. In den nächsten Tagen versacken wir hier mehrmals täglich, um uns zwischendurch immer mal wieder mit einem Eiskaffee abzukühlen. In Asien trinkt man nämlich den Kaffee für üblich kalt und auf Eis und statt Milch gibt es eine Art Kondensmilch, nur viel dickflüssiger mit unfassbar viel Zucker. Wer schwarzen Kaffee bestellt bekommt ihn trotzdem mit Zucker, die Kambodschaner (und Asiaten im Allgemeinen) stehen einfach auf süß. Zum Glück lernen wir an diesem Morgen Sup kennen, einen Tuk-Tuk Fahrer, der uns ganze zwei Stunden Nachhilfe in Khmer gibt. So können wir endlich Kaffee ungesüßt und mit normaler Milch bestellen. Er verrät uns sogar, wie wir nervige Tuk-Tuk Fahrer abwimmeln (nämlich mit dem Satz „Ich habe kein Geld, ich laufe lieber….“ – ខ្ញុំគ្មានលុយទេខ្ញុំចូលចិត្តរត់ 🙂
Gestärkt und mit neuen Sprachkenntnissen ausgestattet erkunden wir Phnom Penh: Die Hauptstadt Kambodschas, ist mit 1,5 Millionen Einwohnern das kulturelle und wirtschaftliche Zentrum des Landes. Ihre Lage am Tonle Sap, einem Nebenfluss des Mekong, eine Reihe von alten Tempeln, Märkten und schönen kolonialen Bauten, sowie traditionelle Tanzaufführungen unterhalten uns auf jeden Fall für ein paar Tage.
Touristenattraktion Nummer 1 ist aber sicher der Königspalast und die Silber-Pagode aus dem Jahre 1860. Wir besichtigen den ganzen Komplex, der aus 9 Gebäuden besteht. Nicht jeder Bereich ist zugänglich, denn noch heute wird der Königspalast von der königlichen Familie bewohnt. Aber auch von außen sind die pompösen Bauwerke, mit ihren filigranen, ganz in gold gehaltenen Verzierungen sehr beeindruckend.
Neben den heute prachtvollen Tempeln und dem Königspalast hat Phnom Penh aber auch eine grausame und dunkle Geschichte. Am 17. April 1975 wurde Phnom Penh von den Roten Khmer, einer maoistischen Guerillabewegung um den grausamen Führer Pol Pot, erobert. Und damit begann auch die düstere Vergangenheit des Landes. Wie es dazu kommen konnte, erfahren wir nur wenige Kilometer entfernt von der Innenstadt im Toul Sleng Genozid Museum, eine alte Schule die unter der Herrschaft der Roten Khmer zu einem Gefängnis und zu einer Folterstätte umfunktioniert wurde. Die absurden Ideen der Roten Khmer das Land in einen Agrarkommunismus (autarker Bauernstaat) zu überführen hatte zur Folge, das die komplette städtische Bevölkerung sowie das Bildungsbürgertum als Volksfeind angesehen wurde. In den Augen der Roten Khmer galten Städte als konterrevolutionär und sollten daher aufgelöst werden. Ihr berüchtigter Anführer Pol Pot machte daher Jagd auf die Intellektuellen im Land, vor allem Journalisten, Künstler oder Wissenschaftler, aber auch Lehrer, waren in seine Augen für sein Vorhaben gefährliche Gegner. Sogar schon das Tragen einer Brille machten Menschen zu seinen Opfern. Als Folge dessen deportierten sie fast die gesamte Bevölkerung Phnom Penh’s, sodass die Stadt für lange Zeit einer Geisterstadt glich. In den folgenden Jahren bis 1979 führte die Armee Massenmorde an der eigenen Bevölkerung im neu ausgerufenen Demokratischen Kampuchea durch. Die Gesamtzahl der Opfer des Genozids in Kambodscha liegt nach aktuellen Schätzungen bei über zwei Millionen.
Einige Kilometer außerhalb der Stadt besichtigen wir die Gedenkstätte „Choeung Ek“, eines der berühmtesten sogenannten Killing Fields in Kambodscha. Neben Choeung Ek, gibt es im ganzen Land mehr als 300 solcher Stätten, an denen Massenmorde vollzogen wurden. Wir wandern über die Killing Fields und sind wirklich sprachlos über die Brutalität, die sich hier vor noch nicht einmal 40 Jahren abgespielt haben muss. Eine buddhistische Stupa (ein Turm) inmitten des Friedhofes enthält über 5.000 menschliche Totenschädel. An den meisten erkennt man, mit welcher Brutalität sie zerschmettert wurden. An einem schönen alten Baum ist eine Tafel aufgestellt, auf der man lesen kann, dass hier Babys so lange drangeschlagen wurden, bis sie starben. Ihre Mütter mussten dabei zusehen und die Wächter sogar lachen, um sich nicht selbst verdächtig zu machen. Überall liegen heute noch verbliebene Leichenteile und Kleidung der Opfer. Andere werden bei starken Regenfällen an die Erdoberfläche befördert. Alle Fundstücke werden als Erinnerung bis heute nicht angetastet. Das Massengrab Choeung Ek, mit 8.895 Leichen, wurden hier nach dem Fall der Diktatur entdeckt, viele der Toten waren frühere Insassen des Tuol-Sleng-Gefängnisses.